Wie Bert Brecht nach Afrika kam: Augusto Boal und die Aids-Prävention

inwent selbstorganisierte ASA-Auslands-Studien-Aufenthalte

Über viele Jahre hatte ich regelmäßig Forumtheater-Projekte  in den Austausch- und Vorbereitungswochen im ASA-Programm von inwent, das Studierende zu Praktika- Aufenthalten in (fast) aller Welt unterstützte, mit Bewerbungen und Berichten, mit Reflektion der kulturellen Begegnungen und Missverständnisse, der Verarbeitung von Misserfolgen und Übergriffen, aber auch der Vorbereitung auf die Ausreise.

Indem ich den Teilnehmenden die Methoden des Theater der Unterdrückten beibrachte, erfuhr und erlernte ich von ihren Erfahrungen und Szenen, was die bisher „Ausgereisten“ in Szenen berichteten, und wie die sich Vorbereitenden in die Situationen hineinversetzen und davon lernen konnten.

Es waren enorm dichte Seminare, und über die Jahre bekam ich etliche Arbeiten, die von den Berichten für ASA bis zu Diplomarbeiten zu Theaterarbeit und Prävention in der Bildungsarbeit in den verschiedenen Ländern reichte.

Kulturelle Begegnung war Theater immer

Als ich vor gerade 40 Jahren den Brasilianer Augusto Boal kennenlernte, bei einem Forumtheater-Abend in München und einem anschließenden Wochenend-Workshop, war meine Kündigung der kirchlichen Gemeindearbeit schon unterwegs.

Die Schauspielschule hatte mich nicht befriedigt, die Erfahrungen der Kolleg*innen mit den Hierarchien und Konkurrenzen an den diversen Städtetheatern hatte mich abgeschreckt, ein einziges Mal hatte ich mich für eine Rolle vorgestellt ... Die Feuerzangenbowle ... einen guten Film nachspielen?

Ich hatte in den Jahren an der Schauspielschule in vielen Filmen wie auch der Filmhochschule mitgespielt, manche sogar auch gesehen, aber das waren aktuelle Themen oder Übertragungen ...

Die klassischen Theater blieben an den alten Autoren hängen, während auf den Münchner Theaterfestivals internationale Erlebnisse zu finden waren, und die Leute, die dann die 14-tägigen Workshops mit Augusto Boal in Berlin veranstalteten, kannte ich ich schon von den Workshops mit Grotowski -Leuten und Bread & Puppet, living theatre etc.

Ich überlegt noch, mich dem Circus Hundertfleck anzuschließen, begann dann aber meine Freiberuflichkeit als Theaterpädagoge: Offiziell gab es den Begriff im Arbeitsamt noch nicht, aber sie waren lernwillig, vor allem bei einem, der den Dienst unter Kardinal Ratzinger quittieren wollte, der in München einen schlechten Ruf als rückwärts orientiert hatte. 

Auch die Künstlersozialkasse machte mit, die Kategorie aufzunehmen, und mit der pädagogischen und politischen Einbettung in die Bewusstseinsbildung nach Paulo Freire in der AG SPAK, in der Gewaltfreien Aktion, der Friedensbewegung, Pax Christi Gruppe München, Burg Rothenfels, Zukunftswerkstätten-Moderierende, bis zu Anarchie, Wilhelm Reich und Paul Goodman bis zur Hippie-Gestalttherapie

Die Asa-Seminare der 1990er Jahre bis 2000 waren enorm intensiv:

Die Studierenden der verschiedenen Fakultäten, die in Auslands-Aufenthalte gingen, waren ausgebildet und mehrsprachig vorbereitet, hatten schon so manche Reise hinter sich und manchmal auch schon internationale Beziehungen ... 



Dieser Artikel erinnerte mich:

Das afrikanische Theater setzt auf eigene Traditionen.
Aber auch auf Bertolt Brecht

In Afrika melden sich immer mehr emanzipierte Stimmen, die das Theater als Mittel zur Veränderung betrachteten - Christoph Nix 12.06.2021 NZZ

nzz.ch/feuilleton/afrikas-theater-hier-ist-brecht-revolutionaer-ld.1629167

Nachdem Ende April 2005 das Goethe-Institut in Togos Hauptstadt Lomé von maskierten Männern überfallen und angezündet worden war, kam es wenige Jahre später zu einem legendären Treffen: Der damalige deutsche Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier besuchte mehrere westafrikanische Länder und kam dabei auf die Idee, eine kulturpolitische Konzeption für Afrika zur Diskussion zu stellen.

So saßen im Mai 2008 interessierte Künstlerinnen und Diplomaten, Studentinnen und Lehrer, Beamte und Geheimpolizisten beieinander und lauschten dem Minister: «Was braucht eine demokratische Kulturpolitik in Afrika», fragte er in die Runde. «Ein Theater», war die knappe Antwort eines jungen Mannes, der sogleich in fließendem Deutsch das Gedicht «Fragen eines lesenden Arbeiters» von Bertolt Brecht rezitierte. 

Der Minister war bereits sprachlos, da fügte der junge Regisseur und Schauspieler Ramses Alfa eine Frage hinzu: «Wer, wenn nicht die schwarzen Afrikaner sind die ausgebeuteten Arbeiter des 21. Jahrhunderts?» Bertolt Brecht, der sein ganzes Leben über für ein politisches Theater gekämpft hatte und dessen Stücke in Europa mit einer merkwürdigen Patina überzogen zu sein scheinen – dieser alte Europäer schien gerade in Afrika angekommen zu sein.

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